Brothers – A Tale of Two Sons
In Brothers – A Tale of Two Sons (PC, Xbox 360, PS3), einem Download-Titel von Starbreeze Studios (Enclave, The Darkness, Syndicate) spielt man, wie der Titel bereits erahnen lässt, zwei Brüder. Gepriesen wird Brothers als Coop-Spiel für einen Spieler, was vom Prinzip auch sehr gut funktioniert und einige interessante Gameplaymomente erzeugt. Das als Tragödie konzipierte Spiel kommt komplett ohne Worte aus, denn die Charaktere sprechen nur eine unverständliche Phantasiesprache. Ohne Umschweife kommt die Handlung zur Sache: zu Beginn ertrinkt die Mutter der beiden während der kleinere Bruder hilflos zusieht. Die Situation spitzt sich für die Geschwister weiter zu, als ihr Vater einige Zeit darauf auch noch unvermittelt sterbenskrank wird. Der örtliche Heiler nimmt sich ihm an, aber auch er kann nicht mehr helfen. Die einzige Hoffnung für den Vater besteht in der Essenz aus einer Art Manabaum. Natürlich ist es die Aufgabe der beiden Brüder, diese zu organisieren.

Die beiden Brüder gönnen sich eine Pause. Warum auch nicht, schließlich es liegt ja nur ihr Vater im Sterben. (Quelle: 505 Games)
Das besondere bei Brothers ist, dass man beide Charaktere zur gleichen Zeit steuert und somit koordinieren muss. Das Gameplay erinnert stark an Ico, nur dass beide Charaktere voll interaktiv sind und sich gegenseitig ergänzen. Der große Bruder z.B. ist besser dafür geeignet, schwere Hebel zu bedienen oder den kleinen Bruder auf hoch gelegene Kanten zu hieven. Dafür kann der kleine Bruder sich geschickt durch enge Gitterstäbe zwängen. Was auch schon so ziemlich seine einzige Spezialfähigkeit zu sein scheint, denn für alles andere ist er auf die Hilfe seines Bruders angewiesen. Trotzdem sind die kleinen Rätsel sehr gut aufgeteilt, und es macht immer Sinn, wie beide Charaktere eingesetzt werden. Man hangelt sich von Plattform zu Plattform, wirft sich Gegenstände zu oder betätigt Maschinen um das gegenseitige Fortkommen zu gewährleisten. Dies alles geht erstauntlich flüssig von den Händen, was nicht zuletzt der sehr simplen Steuerung zu verdanken ist. Gespielt habe ich Brothers am PC mit Xbox 360 Controller. Dabei steuert der linke Stick den großen, der rechte Stick den kleinen Bruder. Ergänzt wird die Steuerung noch durch den linken und rechten Trigger, die jeweils eine kontextsensitive Aktion des respektiven Charakters ausführen. Genau wie Ico kommt Brothers komplett ohne Interface aus, was ich sehr begrüßenswert finde. Je nachdem, mit welchem Bruder man z.B. NPCs anspricht, erhält man unterschiedliche Ergebnisse. Während der große Bruder meist recht vernünftig ist und nach dem Weg zum Manabaum fragt (was mit der Zeit immer lächerlicher wirkt, da es in den Schlauchlevels eh immer nur einen einzigen Weg gibt), treibt der kleine Bruder lieber Unsinn. Oftmals wirkt die Fantasy-Welt von Brothers etwas ungelenk und konstruiert, beispielsweise wenn ein etwas zu offensichtlicher Albert Einstein-Verschnitt-NPC auf seiner eigenen Plattform gefangen ist und wohl schon seit Ewigkeiten darauf wartet, dass jemand vorbei kommt und umständlich mit einem Zahnrad seinen Aufzug repariert, statt dass er sich selbst behilft und runterklettert. Ähnlich unglaubwürdig wirkt eine anfangs hilflos erscheinende Frau, die man retten muss, welche später aber dann riesige Gräben mit einem Satz überspringt während sich die beiden Helden mühsam am Rand entlang hangeln müssen. Unterbrochen wird die Reise der Brüder ab und an durch kurze Cutscenes, die allesamt etwas zu sehr mit dem Holzhammer das Familien-Drama der beiden verdeutlichten. Zudem frage ich mich, warum ihr Vater währenddessen eigentlich immer noch auf dem unbequemen Holztisch dahinsiecht auf den ihn der Heiler zu Beginn gelegt hat. Er hätte ihm wenigstens mal ein Kissen spendieren können – aber das nur am Rande.
Wirklich glänzen kann das Spiel meiner Meinung nach aber bei vielen der Gameplaymechaniken. Spaßig ist zum Beispiel das Transportieren eines langen Rohres durch ein enges Labyrinth – da kommen Erinnerungen an Umzüge auf, bei denen man schwere Möbel durch enge Treppenhäuser fädelt. In einer Sequenz sind beide Brüder durch ein Seil verbunden, was zu ein paar erstaunlich flüssigen tarzanmäßigen Hangeleien führt. Nur selten verknotet man sich im Hirn und verwechselt die Steuerung der beiden. Im Prinzip ist Brothers dadurch eine Evolutionsstufe der Twinstick-Shooter, da man hier wie dort mit beiden Sticks völlig unabhängige Bewegungen koordinieren muss.
Gut gefallen hat mir das Setting vieler Level, obwohl das Environment Design manchmal etwas leblos wirkte. Eingefrorene Belagerungsheere und seltsam verfremdete Orcas im Eismeer fand ich beeindruckend. Ein weiteres Highlight ist ein Level, bei dem man sich einen Weg durch ein makaberes Schlachtfeld der Riesen bahnen muss. Unheimlich ist, dass der Kampf erst seit kurzem vorbei sein muss, da noch ganze Sturzbäche aus Blut fließen. Trotzdem wirkt alles still und verlassen bis auf die Geier, die auf den gigantischen Leichen herumhacken. Besonders beeindruckt hat mich hier eine der wenigen sinnvollen Anwendungen von Ragdoll-Physik als Gameplay- und Leveldesignelement (wie ich es zuletzt nur bei Porrasturvat gesehen habe).
Getrübt wurde der Spielspaß lediglich durch kleinere Bugs wie fehlende Shader auf manchen Objekten sowie selten auftretende Probleme bei der Kollisionsabfrage. Als größtes Unannehmlichkeit habe ich die sehr steif und unglaubwürdig animierten Charaktere empfunden, die in ihren Bewegungen und Interaktionen kein Gefühl von Masse vermitteln konnten – ebenso wenig wie das unphysikalische Verhalten von leblosen Objekten. Für mich ging dadurch auch sehr viel von der Story verloren, da die Geschichte mangels Dialogen komplett auf Gestik und Mimik der Charaktere basiert. Auch das Design der Charakter, Kreaturen und NPCs an sich wirkt mit wenigen Ausnahmen zu grobschlächtig und nicht raffiniert genug.
Der doch sehr kurze Spielumfang von etwa sechs Stunden lässt am Schluss zu wünschen übrig. Brothers hält sich nur kurz mit einzelnen Settings und Gameplay Ideen auf an Stellen, an denen man sich eher wünschen würde, dass diese noch mehr vertieft würden. Stattdessen wird man mit recht flüssigem Tempo durch die Level getrieben, denn der Titel bietet kaum Herausforderungen aus spielerischer Sicht. Trotz der dramatischen Hintergrundgeschichte hat mich das Ende relativ kalt gelassen. Den hölzernen Hauptfiguren mit ihren eher funktional erscheinenden Interaktionen untereinander gelang es nicht, zu mir als Spieler eine emotionale Bindung aufzubauen, wie ich sie noch bei Ico empfunden habe. Das Konzept ist vielversprechend, aber Starbreeze Studios hätte an einigen Stellen auf der Designebene mehr Feinschliff betreiben und die Pathosschraube bei der Story deutlich zurückschrauben müssen. Etwas mehr Subtilität hätte der Handlung von Brothers sehr gut getan.
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